23. April 2024

Wie es mancherorts um das kritische Denken und den Anstand in der Wissenschaft bestellt ist - Der Physiker Florian Aigner: Ein interessanter Fall.

Wie es mancherorts um das kritische Denken und den Anstand in der Wissenschaft bestellt ist

von Robert Peer

Auf einen dankeswerten Anstoß/Hinweis hin, möchte ich anhand eines Fall-Beispiels nun eine kurze Replik auf etwas leider Proto-Typisches im heutigen Wissenschafts- und Kulturbetrieb geben.
Wie weit es bei jenen Akteuren da auch um Political Correctness und nicht nur um Wissenschaft geht, soll das Folgende exemplarisch zeigen.

Der Physiker Florian Aigner: Ein interessanter Fall

Die nun beispielhaft ins Auge gefaßte Person heißt Florian Aigner (er dissertierte zu einem Thema der Quantenphysik; wurde dann Wissenschaftsjournalist, …).

Er wurde auch Mitglied der sogenannten GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften) in Deutschland und Österreich – und ist nun aus ihr ausgetreten; in Wien war er Vizepräsident der „Gesellschaft für kritisches Denken“ (GWUP Wien); (weiteres etwa in: https://de.wikipedia.org/wiki/Florian_Aigner_(Publizist) ).

Was ist nun dabei an ihm in dieser seiner Rolle aus einer wissenschaftstheoretischen und auch demokratie-kultur-politischer Sicht nun so interessant? - denn darum soll es ja hier nun gehen.

Aigner versteht sich als Mann der aufgeklärten und aufklärenden Wissenschaft und im Namen derer nimmt er für sich in Anspruch (und das soll ihm bzgl. seiner wissenschaftlichen Tätigkeit zunächst auch nicht abgesprochen werden!) gegen Esoterik und Scharlatanerie an vorderster Front zu kämpfen. Deswegen sei er auch in diese GWUP einmal aus Überzeugung eingetreten. Weil diese eben ganz in seinem Sinne den Menschen aufklärende Hilfe vor "Scharlatanen", „üblen Geheimorganisationen“, Verschwörungstheoretikern, etc., zukommen ließen. Und Aigner arbeitete sich schließlich, weil er, wie er sagt, so viel Gefallen daran fand, bis in den Vorstand dieses Vereins vor.
Aber plötzlich, es war das Jahr 2022, ist er eben aus der GWUP ausgetreten. Was war geschehen?
Es störte ihn, dass die GWUP immer „politischer“ wurde: Die Themen waren: „Wokeness“, „Identitätspolitik“, „Gendersprache“, „Cancel Culture“, „political correctness“, usw.
Es ist eben das, wogegen man in konservativ-rechten Kreisen sich anschickt, eine „Gegen-Kultur“ zu errichten, die sich aber wiederum auch gegen die zunehmende "korrekte" Verpolitisierung unseres gesamten gesellschafts-politischen Alltags wendet – die Wissenschaft natürlich mit eingeschlossen – aber politisch eben andersrum.

Als man in der GWUP nun auch noch begann, etwa die „Critical Studies“ (ein weites Feld, von Gender-Studies bis hin zu Critical Race Theory) und postmoderne Philosophie kritisch unter die Lupe zu nehmen, war das Maß für Aigner schließlich voll.

Bei der Rechtfertigung seines Austritts, wie seine Erklärung zeigte, tat er sich aber doch sichtlich schwer (https://florianaigner.at/gwup.htm?s=09 ):
Ja, so meinte er, er sei schon dafür, eine gewisse Ideologisierung, die man bei den Critical Studies finden könne, anzuprangern, aber bitte nicht in Bausch und Bogen. Und andererseits habe die GWUP ihre ursprüngliche Aufgabe, sich nur um die Wissenschaft zu kümmern, dabei weit überschritten.

Hier spätestens wird dann eine gewisse Scheinheiligkeit, nämlich, nur die „reine Wissenschaft im Kampf gegen Aberglauben“, usw., im Auge zu haben, doch immer klarer sichtbar.
Denn, wer, wie er vorgibt, nur diesem ausschließlichen Diktum „Überprüfung von Unsinn mit den strengen Methoden der Wissenschaft“ zu folgen, muss natürlich schon bei der Widerlegung von etwa „Verschwörungstheorien“ oder „Ideologien“, usw., scheitern.
Denn wenn man wissenschafts-theoretisch korrekt sein möchte, gehören diese Felder in ihrer Fülle eben nicht nur in das Gebiet der Naturwissenschaft und können daher auch oft nicht auf diesem Feld (allein!) widerlegt oder kritisiert werden, sondern dazu bedarf es weiterer, etwa heuristischer Methoden, Wahrscheinlichkeits-, Plausibilitäts-Untersuchungen, ja, auch wissenschafts-historischer Analysen, Kulturgeschichte, Kriminalistik, usw. Das , was die GWUP machte, geht also schon von Anfang an über die – vor allem physikalisch basierte Naturwissenschaft – und hier könnte man tatsächlich eher schnell und gut widerlegen! – hinaus. Bliebe die GWUP also auf ihrem Gebiet, bliebe sie glaubhaft und es wäre dagegen prinzipiell nichts einzuwenden.

Das, was aber Aigner eigentlich an der von ihm kritisierten Gruppe so stört, ist wohl etwas anderes und weshalb er sich bei seiner Rechtfertigung auch ziemlich windet, wenn man seinen Text liest:
Denn er stört sich dann doch allzu sehr an einer anti-woken, anti-linken, anti-zeitgeistigen Entwicklung, die also – horibile dictu - den Rechten zugutekäme, das nämlich ist sein eigentlicher Kummer!
Und wenn es darum geht, die woke Entwicklung zu verteidigen, da verlässt auch er ohne Weiteres das rein naturwissenschaftliche Terrain der GWUP und wird sofort ideologisch und politisch –- und zeigt ganz klar, wo er steht und dass es mit seinen hehren Prinzipien doch nicht so weit her ist:
Er ist da nämlich ganz und gar nur mehr der Ideologe: So steht er dann fest in der Abwehr gegen Anti-Feminismus, Rassismus, Trump, Putin, Orban – also die ganze Palette linker Klischees/Totschlagbegriffe und aus seiner Sicht: „rechter Feinde“ - und hat dafür andererseits, - dazu komplementär schön ins Bild passend – , nichts übrig für den Erhalt abendländischer Kultur und den Kampf gegen den Kulturmarxismus. Damit würden sich – so er - die Woke-Kritischen letztlich diskreditieren und so das Recht als legitime Kritiker aufzutreten, verlieren.

Das sei ihm als Links-Grün-Liberal-Woker ja auch unbenommen, aber dann dürfte er konsequenterweise die Kritik an den Critical Studies den obigen „Abweichlern“ ja nicht gleichzeitig zum Vorwurf machen. So wirft er diesen aber vor, unsauber zu argumentieren und zu vermischen:
„Wenn man das vermischt, macht man gleich einen doppelten Fehler: Man argumentiert unsauber und stellt Schlussfolgerungen als wissenschaftlich dar, die sich aus den gelieferten Fakten einfach logisch nicht ergeben. Und man beschädigt das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wissenschaft – auch in jenen Bereichen, wo man offene Fragen tatsächlich auf objektive, logische Weise mit klar belegbaren Fakten beantworten könnte.“

Diese Doppelmoral, den anderen etwas zu verbieten, einen wissenschaftstheoretischen Fehler anzulasten – was von der Sache her ja nur bedingt richtig ist (siehe die entsprechende obige Bemerkung!) – es aber für sich ohne Hemmung in Anspruch zu nehmen, wird bei Aigner noch deutlicher, wenn man entdeckt, woran er noch so sein Herz hängt:

https://goldenesbrett.guru/verleihung-2023/
https://twitter.com/florianaigner/status/1655956992681205762

Der „Goldstandard“ der Wissenschaftskritik? - Das "Goldene Brett“

So ist (oder war?) er nämlich Mitglied bei der deutsch-österreichischen „Initiative“, die einen „satirischen Negativpreis“ namens „Goldenes Brett“ vergibt, wo alle jene besonders prominente Personen „ausgezeichnet“ werden – sprich: an der Pranger gestellt werden 2) , die nicht mit dem Mainstream mitschwimmen – in der Besetzung der Jury ist es logischerweise genau umgekehrt: Über die anderen sitzen dann da jene zu Gericht, die sich entschlossen haben, ihre Karriere lieber nicht aufs Spiel zu setzen – und davor bewahrt einen nun mal ein sicherer Platz in der links-liberal-grün-woken Gesellschaft.
( 2) Im Mittelalter verwendete man zur Bestrafung bei leichteren Vergehen den sogenannten Schandkragen (Halsgeige), das zwar kein goldenes, aber auch ein Brett war, in das man die Delinquenten mit dem Kopf und Händen einspannte und von der johlenden Menge verhöhnen und mit Abfällen bewerfen ließ. Man sieht, wir bewegen uns zivilisatorisch in nicht allzu großen Schritten vorwärts!)

Und dort beliebt man – die GWUP ist dort federführend vertreten (der abtrünnige Flügel vielleicht nicht mehr?) – zu denunzieren, zu verunglimpfen, zu verfälschen, zu verhetzen, was eben das Zeug hält.
Liest man die „Auswahl-Kriterien“ für einen solchen Preis, die vor alleinigem Besitzanspruch wissenschaftlicher Wahrheit, denunziatorischer Unverschämtheit, bis hin zu einer angemaßten wissenschafts-kriminologischen Ausforschungs-Kompetenz nur so strotzen, so fühlt man sich direkt in die Zeit der „Heiligen Römischen Inquisition“ versetzt oder eben an gewisse demütigende Bräuche des Mittelalters erinnert (siehe die Fußnote!).
In ihrem Kriterien-Katalog ist quasi als „Sahnehäubchen“ obendrauf noch die höhnische und meiner Einschätzung nach, doch auch menschenverachtende Formulierung zu lesen lesen (im Unterschied zum Mittelalter ist immerhin diesmal eine Freiwilligkeit gegeben!):
„Die Finalisten erhalten sofort nach Juryentscheid eine freundliche Einladung zur Preisverleihung.“

Nur diesmal ist es nicht die von Gott kommende und der Kirche weiter kolportierte religiöse Wahrheit, sondern jene, die nun im (natur)-wissenschaftlichen Gewande, von einer ebenso erleuchteten, selbsternannten, erlauchten Jury daherkommt.

Da stört es solche, wie eben Herrn Aigner, – die behaupten, daß es ihnen nur darum geht, die Wahrheit der (Natur-)Wissenschaft ausschließlich auf dem Felde der Wissenschaftlichkeit zu verteidigen – nicht, daß die Personen, die da der Lächerlichkeit preisgegeben werden sollen, etwa aus dem satirischen Journalismus oder der Politik-Wissenschaft oder der Finanz-Wissenschaft stammen (wie etwa Ferdinand Wegscheider bzw. Ulrike Guerot bzw. Stefan Homburg) – wo ja die GWUP statutengemäß keine Kompetenz beanspruchen dürfte – wo es also meistens gar nicht um naturwissenschaftliche Widerlegung gehen kann.

Abgesehen davon kann von einer – natur-wissenschaftlichen - Widerlegung – wenn sie denn angebracht wäre, überhaupt keine Rede sein. Vielmehr werden hier die system-konformen Narrative und Behauptungen, etwa über Corona, einfach bloß widergespiegelt, ohne dabei die andere, kritische Seite der wissenschaftlichen Meinung überhaupt zu erwähnen – gerade so, als würde es diese überhaupt nicht geben (Ohne davon noch zu reden, dass dieses globale Lügenkonstrukt, wie nun weltweit bekannt, nun schon krachend in sich zusammengestürzt ist!).
Den „Delinquenten“ wird eben nicht, wie man vorgibt, nur Unwissenschaftlichkeit vorgeworfen, sondern tatsächlich vor allem auch ihre politisch-ideologische Meinung – wenn jemand etwa eine „falsche“ Sichtweise zum Ukrainekrieg hat.
Es ist dies geradezu ein klassisch-schauriges Beispiel des Missbrauchs und Desavouierung der Wissenschaft – im Namen der Wissenschaft!

Wenn man sich dazu noch die illustre Liste anschaut, wo sich tatsächlich einige wenige Natur-Wissenschafter (Verhaltensforscher, Genetiker, Epidemiologe) mit Journalisten, Schriftstellern, Künstlern, Regisseuren, usw. zu diesem miesen Zweck ein Stelldichein geben, dann kann man als jemand, der sich dem zivilisatorischen und kulturellen Wert der (Natur-) Wissenschaft und einer sauberen Methodik und generell einer intellektuellen Redlichkeit verpflichtet fühlt, sich nur angewidert abwenden.

Conclusio

Was können also diese – stets - schlimmen Erscheinungen in der Wissenschaft, uns, die die hohen Prinzipien nach besten Wissen und Gewissen hochhalten wollen, sagen?
Was sollen wir, wenn wir über Wissenschaft reden, in ihrem Namen argumentieren, insbesondere immer mitbedenken?

Hier meine Grundsatz-Überlegungen, die ich auch somit gerne zur Disposition stelle:

• Auch Wissenschafter sind nur Menschen. Das heißt, es kann passieren, daß auch sie nur den „Splitter im Auge des anderen sehen, den Balken im eigenen Auge aber nicht erkennen können“, oder, auch sie unterliegen den zeitgeistigen Strömungen, dem politischen Druck und etwaigen Moden. Allzu viele vergessen dabei ihren „Akademischen Eid“, den sie einmal schwören mussten.
Wir wissen es schließlich von den furchtbaren Erfahrungen aus der „Corona-Zeit“ bis heute, wo sogar auch von den Ärzten ihr ganz spezieller, der „Hypokritischer Eid“, in den meisten Fällen tatsächlich gebrochen wurde – jene aber, die ihrem Gewissen folgend, ihn jedoch einhielten, wurden zum Teil strengstens sanktioniert.

• Die Wissenschaft als eine autonome, unveränderliche, unfehlbare „Wahrheitsmaschine“, gibt es nicht.
Die Wissenschaft befindet sich durch Forschung, neue bzw. bessere Theorien und Erkenntnisse in ständiger Bewegung und Fluss.
Dabei baut aber neues Wissen immer auf älterem auf und verbessert/erweitert es dabei à la longue.
Auch in der Sphäre des Geistigem – und nicht nur etwa in der Biologie! – handelt es sich um einen evolutionären Prozeß.

• Auch die Wissenschaft, wie alle Bereiche des kulturellen Lebens, sind instrumentalisierbar – im privaten wie auch im politischen Diskurs, ja insbesondere auch zum Zweck der Machtgewinnung.
Trotzdem können und sollen wir aus der Wissenschaft nicht aussteigen und stattdessen unser Heil in Aberglauben, Esoterik oder religiösen 3) Sekten suchen, genauso wenig wie wir es aus der Politik können, auch wenn sie oft ein „garstig Lied" ist.
( 3) Das heißt nicht, daß Wissenschaft per se eine Antipode zu echter, tiefer Religiosität darstellen muß! Dies ist aber ein eigenes, ernsthaftes und wichtiges, aber an anderer Stelle zu diskutierendes Thema.)

Im Gegenteil: Jede politische Gruppierung muss versuchen, die Oberhoheit auch im Bereich der richtigen Anwendung und Interpretation der Wissenschaft zu gewinnen. Es geht also, auch auf diesem Gebiet für uns, um eine „Reconquista" der Wissenschaft!
Denn auch dort handelt es sich um ein Schlachtfeld, auf dem politische Siege gewonnen oder verspielt werden können.

https://de.wikipedia.org/wiki/Florian_Aigner_(Publizist)

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